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musik = gesundheit

  • Autorenbild: Ronald
    Ronald
  • 26. Mai 2024
  • 7 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 28. Mai


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Unser Körper besteht zu einem großen Teil, es sind wohl um die 60%, aus Flüssigkeit. Dieser Umstand ist mehr als vorteilhaft, wenn es darum geht etwas Klingendes für uns physisch spürbar zu machen, also uns selbst in Schwingung zu versetzen. Klar, den Großteil nehmen wir natürlich durch das dafür vorgesehene Sinnesorgan wahr, einen nicht unwesentlichen Teil jedoch fühlen wir. Was wir Menschen unter Lärm oder Krach subsumieren kann uns auf Dauer krank machen. Im positivsten Sinne vermögen reizvolle und sogenannte schöne Klänge jedoch unser Wohlbefinden auf unterschiedliche Art zu fördern. Der Vollständigkeit halber sei natürlich angeführt, dass dies ein sehr weit gefächertes Feld ist. Musik ist unglaublich facettenreich und dieser Reichtum ist es, der eine ungeahnte Bandbreite aus musikalischer Wirkkraft eröffnet. Somit sollte man jedweder Form und Gattung offen gegenüberstehen.


Man kann Musik als eine Ressource betrachten. Sie ist unserem Verständnis nach unerschöpflich vorhanden und wartet darauf durch uns entdeckt und gefördert zu werden. Dieser Vorrat ist ein wesentlicher Teil unseres Systems oder anders ausgedrückt, ist ein bedeutendes Element unserer ganzheitlichen Natur. Das Besondere an der Musik ist der Gedankenraum, den sie in uns aufspannt und dem sie gleichzeitig auch entspringt.


Licht zum Beispiel vereint in besonderer Weise das Elementare und das Schwingende. Wir nehmen Dinge wahr, sehen sie, ohne das Licht selbst zu sehen. Ähnlich paradox verhält es sich mit der Musik. Sie besteht aus Teilchen, aus Elementen, die wir aufschreiben, sehen und letztlich verstehen können. Nennen wir diese Partikel einfach Noten. Wir sind also in der Lage Musik im Detail zu beschreiben und zu erforschen. Versetzt man nun diese Teile in Schwingung oder Bewegung, offenbart sich eine andere Eigenheit der Musik, die unserer Kontrolle entzogen ist und die wir nur schwerlich charakterisieren können. Diese Änderung des „Aggregatzustandes" erfordert ein Instrument. Am naheliegendsten bietet sich hierfür unser Körper an. Rhythmik erzeugen wir mit klatschenden Händen, Melodik durch Singen, Summen, Pfeifen und andere Äußerungsmöglichkeiten. Wir sind also perfekt geeignet Musik, beginnend von der Idee bis hin zum Klangereignis, umzusetzen. Wir sind Musik!


Ich erinnere mich an einen Abend während meiner Studienzeit. Wir waren gerade daran angeregt die mathematischen Grundelemente in der „Matthäuspassion“ zu diskutieren. Da kam folgend die Frage auf, ob man in der Lage wäre, einem Computer durch Beigabe aller relevanten Parameter eine Symphonie von Beethoven zu entlocken. Dies wäre nur konsequent, denn Musik ist was die Systematik, also auch den inneren Aufbau betrifft, unter anderem auch ein komplexes mathematisches Konstrukt und somit einer Logik unterworfen. Also müsste der Computer - heute würden wir von einer "generativen KI“ sprechen - das Ergebnis wohl schnell berechnet haben. Und selbst wenn nicht gleich, wäre es gewiss, dass sich nach einer wahrscheinlichen Anzahl an Versuchen zum Beispiel Beethovens „Pastorale“ offenbaren müsste. Quasi als logische Konsequenz all der bereitgestellten Daten. Prinzipiell konnte man dieser Sicht nicht viel entgegensetzen, war sie eben mathematisch wahrscheinlich. In der Zwischenzeit würde dieses System womöglich andere wunderbare Werke erschaffen. Schon damals jedoch gab es eine Unbekannte, die unser Interesse weckte. Die Inspiration nämlich, also die Fähigkeit des Menschen musikalisch notwendige „Elementarteilchen“ in Beziehung zu setzen, die wir in uns erschaffen, entdecken oder unserer Umwelt entnehmen. Folglich ist die Metamorphose dieser Teilchen in Musik ein absolut natürlicher und notwendiger Vorgang, der einer intrinsischen Motivation entspringt. Musik ist also ein Abbild unserer inneren und äußeren Natur. Sie besteht aus konstanten Grundgesetzen sowie wandelbaren Kräften. Wir untermalen unser ganzes Leben mit Musik. Zum großen Teil passiert das unbewusst und keinem bestimmten Zweck zugeordnet. Unsere Wahrnehmung ist auf diese Art der Informationserstellung und Weitergabe spezialisiert.


Beethoven litt an einer sich verschlechternden Taubheit. Dieser Umstand hielt ihn jedoch nicht davon ab zu komponieren. Der Prozess dahinter, und dies ist überaus wichtig, besteht meines Erachtens aus zwei wesentlichen Elementen. Einerseits die Inspiration, also die Fähigkeit sich anregen zu lassen und andererseits das Handwerk, also die Tätigkeit die Inspiration oder die Idee in Noten zu verschriftlichen und damit für ein Instrument lesbar zu machen. In Beethovens Fall war der Verlust der Hörkraft kein sonderlich großes Hindernis, zumindest was die handwerkliche Tätigkeit des Komponiertes betraf. Seine Inspiration war ungebrochen und sein musikalsicher Ausdruckswille überbordenend. Den Bogen von Beethovens Inspiration hin zu allgemeinen unserer Gesundheit zuträglichen Aspekten zu spannen ist etwas verwegen. Lassen sie mich noch ein letztes Element dieser Argumentation beifügen und den Versuch unternehmen das Bild zu vervollständigen. Natürlich ist einer der großen klassischen Komponisten nicht unbedingt ein allgemein gültiges Beispiel, jedoch ergeben sich gewisse Schlüsse aus seinem Schicksal, die man heute längst empirisch nachvollziehen kann.


Komponieren ist untrennbar mit der Inspiration verknüpft. Die Aneinanderreihung von Tönen, Harmonien und Rhythmen, das Erfinden eigener Formeln und Gleichungen die sich im Notenbild wiederfinden lassen, wäre die mathematische Komponente. Dieser voran stünde die Inspiration, also die Idee oder das Metaphysische, das sich in dieser Welt und in unserem Leben wiederfindet. Sind wir also umgeben von Musik und müssen nur zugreifen und sie sichtbar machen? Oder sind wir ausschließlich Schöpfer, die Musik erfinden und entwickeln, die in uns entsteht? Es ist wohl eine Kombination aus beidem, die wir unbewusst stetig anders gewichten. Dieser Aspekt sollte auf jeden Fall unser Interesse wecken. Ähnlich paradox wie die Gleichzeitigkeit von Welle und Teilchen im Licht, vereint Musik zwei Aspekte von denen sich einer erklären lässt und der andere sich unserem Verständnis entzieht. Nicht nur der perfomante, also hör- und spürbare Teil der Musik hat eine positive Auswirkung, sondern auch schon die Inspiration, also die Beschäftigung mit uns und unserer Umwelt. Musik ist folglich ein Schlüssel, der uns Zugriff gewährt auf eine andere Ebene unseres Daseins. Dies ist auf unser Selbst sowie auf unsere Umwelt zu beziehen und umfassend zu verstehen. Eine universelle Ausdrucksform, deren Entstehungsprozess unglaublich viele Aspekte eines menschlichen Lebens umfasst. Diese kreative Leistung eröffnet sich uns spätestens dann, wenn Musik erklingt.





Was die Auswirkung auf uns Menschen allgemein und im Besonderen auf unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden betrifft, befinden wir uns am Anfang eines Erkenntnisweges. Immer neuere Felder tun sich auf und immer spannendere Anwendungsbereiche fordern versierte und im Umgang mit Musik geschulte Therapeuten. Ähnlich einem vertrauten Geruch, der mannigfaltige Facetten einer bestimmten Erinnerung für uns speichern kann, gelingt es durch Musik Emotionen, Erinnerungen und Zustände in uns abzulegen und auf diese bei Bedarf zuzugreifen. Wir ordnen Ereignissen unseres Lebens Musik zu und verknüpfen sie miteinander.


Demenzkranke Menschen, deren Erinnerungen langsam ineinander diffundieren und sich auflösen, erinnern sich an Musik ihrer Jugend. Sie können oftmals „ihre“ Lieder noch singen, kennen die Melodie und den Text. In der Therapie und Betreuung dieser Menschen hat Musik einen immer prominenteren Stellenwert und stellt sich als probates Hilfsmittel dar. Einerseits um die soziale Verarmung zu stoppen, also positiv auf das Gemüt einzuwirken, und andererseits um die kognitiven Fähigkeiten des Gehirns zu fördern. Meist ist mit einem Musikstück eine Erinnerung verknüpft, die sehr viele positive Aspekte auslösen kann. Hierfür ist gemeinsames Singen der wohl einfachste Zugang. Musik muss ein wesentlicher Teil in Altenheimen und ähnlichen Einrichtungen sein. Ein niederschwelliger Zugang zu einem solchen Angebot wäre wünschenswert. Teilnehmer wären eingeladen aktiv mitzumachen oder passiv zuzuhören. Diese Form der Therapie ist absolut nicht durch einen Tonträger, welcher Art auch immer, zu ersetzen. Der Musiker oder Musiktherapeut fungiert in diesem Setting eher wie ein Hilfsmittel, das den Zugang ermöglichen soll. Die Kommunikation und die resultierende Reaktion auf einzelne Personen oder die Gruppe sind immens wichtig und erfordern natürlich einen persönlichen Kontakt. Viele Menschen verpassen vielleicht aus Scheu oder Angst diesen Bereich zu erkunden. Hürden abzubauen, oder helfend und unterstützend zur Seite zu stehen bedarf einer emphatischen Grundhaltung, die man als Musiktherapeut mitbringen sollte.


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Speziell das Singen hat eine besonders positive Auswirkung auf unser Herz-Kreislauf System, auf unsere Atmung und unser Gehirn. Besonders möchte ich hier die körperlichen Aspekte, wie eine verbesserte Lungenfunktion durch eine optimierte Atmungstätigkeit, sowie eine „Normalisierung“ des Pulses und Stärkung des kardiovaskulären Systems hervorheben. Weiters ist Singen bei seelischen Problemen eine probate Möglichkeit verschränkt mit anderen Therapieformen die Lebensqualität nachhaltig zu verbessern. Die Studienlage ist noch recht dürftig, jedoch zeigt sich zum Beispiel, dass Singen ebenfalls eine positive Auswirkung auf unser Immunsystem zu haben scheint. Cortisol wird reduziert und das allgemeine Wohlbefinden rasch und nachhaltig gesteigert. Im Zuge meiner beruflichen Erfahrung konnte ich feststellen, dass gerade Techniken, die den Fluß und Sitz der Stimme fördern auch Menschen helfen, deren Sprechstimme „gestört“ ist. Eine fundierte Atmenkontrolle und Entlastung zu stark eingebundener Elemente des Stimmapparats ermöglichen sehr gute Erfolge. Oftmals leiden Menschen unter ihrer „Sprechstimme“, Heiserkeit, wenig Kraft und Schmerzen sind meist die Folge. Im Gleichklang mit einem fachspezifischen Arzt bietet die Gesangsstimmbildung Wege das stimmliche Instrument kennen zu lernen und Probleme nachhaltig zu lösen.


Gehörlose Menschen, die gar nicht oder nur eingeschränkt Töne wahrnehmen können, haben immer mehr Möglichkeiten Musik und Klänge zu spüren. Neuartige Saiteninstrumente, die so gebaut werden, dass man auf ihnen liegen oder sitzen kann, ermöglichen Töne körperlich wahr zu nehmen. In Verbindung mit einem Vortänzer, einer Vortänzerin oder einem Dirigenten, die die Musik visualisieren, ergibt sich eine durchaus beachtliche und positive musikalische Erfahrung. Auch in diesem Bereich stehen wir erst am Anfang und die jetzt schon erzielten Erfolge zeigen ganz klar in welche Richtung es gehen muss. Das Klangempfinden und die Wahrnehmung von Rhythmen sind nicht nur auf hörende Menschen begrenzt.


Diese überblickshaft angeführten Beispiele sollen verdeutlichen, welch wesentliches Element Musik in unserem Leben sein sollte. Es geht hier nicht um Kunstmusik oder Musik auf professionellem Niveau. Es geht hier um eine ganz persönliche Entdeckungsreise, fern jeder Moden und Trends, nicht gekoppelt an Erfolg und Misserfolg. Die sogenannte Musikindustrie hat mit der Musik nichts anderes gemacht, als wir sonst in anderen industriellen Zweigen beobachten können. Sie entfernt etwas Menschliches und macht etwas Künstliches daraus. Kernelemente werden ersetzt und hohle Phrasen einer durchgängigen Vervielfältigung unterzogen. Wir verlieren allmählich den Zugang zu diesem uns entnommenen Grundbedürfnis. Musik ist wie Bewegung oder gesundes Essen, sie sollte einfach zu uns dazu gehören, ganz natürlich. Der Zugang zur Musik in unseren Gesellschaften hat sich zum Negativen entwickelt. Eltern, die schamvoll davon berichten, dass sie „unmusikalisch“ seien, bieten ihren Kindern meist keinen ausreichenden Zugang. Wir haben Angst davor Musik zu machen, weil wir darauf ein Regelwerk anwenden, das aus Richtig und Falsch, aus 0 und 1 besteht. Und so verliert sie diese wunderbare Heilkraft, diesen Zauber und dieses Paradoxe und wird nur noch zu einem Track oder einer Ressource in einem Datenstrom, verwaltet von Analysten und einem Algorithmus. Nicht die Maschinen oder ein programmierter Ablauf sollte Musik machen, sondern wir selber. Derzeit degradieren wir uns immer mehr zu Konsumenten, die das eigentlich Schöne, das Bemerkenswerte und auch vor allem nachweislich Heilsame auslagern. Die beachtliche Leitung Musik zu manifestieren, sollte niemals nur eine automatisierte sein. Die Entwicklung, die sich derzeit abzeichnet, erfordert einen besonnenen Umgang mit den technischen Mitteln, die sich gerade auftun.


Erinnert euch an eure Lieblingssongs. Macht die Augen zu, wenn ihr schöne Musik hört und lasst euch durchfluten von den Teilchen und Frequenzen. Musik ist ein Grundbedürfnis und ein Menschenrecht und das sollten wir nicht so bereitwillig auslagern oder gar abgehen. Wir müssen uns bewusst sein, dass wir eine Kraft in uns tragen, die unser Leben unermesslich bereichern kann. Von der Inspiration über die Komposition bis hin zum Konzert bleibt Musik geheimnisvoll und mitreissend zugleich. Am besten jedoch funktioniert Musik, wenn wir sie selber machen und nur dafür ist sie letztendlich auch da. Dann entfaltet sie ihre wahrlich heilsame Wirkung.




Vorschau: Ich hoffe ich konnte euer Interesse etwas wecken. Der nächste Essay beschäftigt sich mit den Chancen, aber auch den Gefahren einer Integration von generativer K.I. in der Musik.

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2 Kommentare

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Gast
27. Mai 2024
Mit 5 von 5 Sternen bewertet.

Sehe ich auch so. Musik ist ein wunderbares Ausdrucksmittel!

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Gast
26. Mai 2024
Mit 5 von 5 Sternen bewertet.

Musik und Seele haben eine direkte Verbindung!

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